Hendrik hat frische Brötchen im Dorf geholt. Die Duschen sind sauber. Der Tag beginnt gut.
Problemloses Ablegen, da wir aus gutem Grund den Bug im Wind gehalten haben und nicht auf Legerwall liegen. Im Bodden haben wir zunächst flaches Wasser und frischen Wind. Mit bis zu 9 kn kommen wir bis zum Ausgang des Wieker Boddens sehr gut voran. Danach müssen wir die Maschine anwerfen, um in das Fahrwasser zwischen Hiddensee und Rügen zu kommen. Kreuzen geht hier nicht. Das Fahrwasser ist zu schmal. Einmal kommen wir den im Schlick stehenden Möwen erstaunlich nahe. Wie sich später herausstellen sollte, hatte es einen „Flachwasseralarm“ mit 80 cm ! Wassertiefe an die Vercharterer gegeben. Der Kurs konnte aber unverzüglich korrigiert werden und es ist nichts passiert. Die Möwen werden sich gewundert haben. Wir haben uns gefreut, dass die Einstellungen des Echolots eine gewisse Sicherheitsreserve vorgesehen hatten. Also in den Bodden werden Fahrfehler mit einem Boot mit 2m Tiefgang sofort geahndet.
Der liebe Hafenmeister hilft uns noch mit neuen Schrauben für unsere Besteckkiste. Vier recht dünne Schrauben in einer Pressspanplatte hielten nicht lange und werden gegen robustere ersetzt. Erste Zweifel über die Ausbauqualität machen sich breit. Warum hat die Werft beim gelben Elch bestellt? Wie sich später herausstellen sollte, halten auch die neuen Schrauben in der Pressspanplatte die Schubladenblende nicht.
Wir gehen Rund Dornbusch / Hiddensee in die offene Ostsee mit dem zweiten Reff im Groß und ohne Fock. Bei ca. 25 – 30 kn Wind aus 310 Grad, also wird das nichts mit einem Anlieger bis Klintholm. Mehr als 60 Grad zum Wind schaffen wir ohne Fock nicht. Eine gewisse angespannte Ruhe macht sich an Deck breit. Olaf hält sich am Steuer fit und bekämpft erfolgreich die Seekrankheit.
Diejenigen, die eine Reisetablette genommen haben, sind zumindest mit ihrem Magen im Reinen. Welle, Wind und Kurs geben aber Anlass zur Sorge in der Mannschaft, die allermeisten kennen die Ostsee bei 7 Windstärken und einer kurzen Welle so nicht. Die Aussage des Skippers, dass als Alternative eine bequemere Überfahrt nach Bornholm möglich wäre, wenn wir nicht gegenan wollen, lässt die Stimmung nicht gerade überschäumen. „…Wir testen das mal zwei Stunden…“ war dann die Taktik der Wahl. Nach dieser Zeit hatten sich alle soweit an das Geschaukel gewöhnt und die Lage erschien nicht mehr so bedrohlich. Eigentlich ist es richtig schön und der Wind lässt auf rund 6 nach.
Also Kurs 010 halten und bei Gelegenheit wenden. Wir halten zunächst auf den Windpark Kriegers Flak, genauer gesagt EnBW Baltic 2, zu. Zwischenzeitlich schwächt sich der Wind weiter auf 5 ab und wir können die Fock ziehen. Kurz vor den Windrädern machen wir eine Wende. Die gelingt zwar problemlos, aber kurze Zeit später gibt es einen heftigen Knall und beim Blick nach vorne sehen wir noch etwas schmales Längliches in zwei Meter Höhe mit hoher Geschwindigkeit von Bord fliegen. Das war unsere Fockschiene! Also Fock rein und überlegen. Ohne Fock läuft das Boot nicht mehr und schon gar keine Höhe. Wir beschließen die Maschine zur Unterstützung anzuwerfen um mehr Raum nach Luv hinzubekommen und noch in der Helligkeit in Klintholm anzukommen. Mittlerweile hat der Wind weiter auf 15 bis 20 kn abgenommen, kam aber immer noch aus der falschen Richtung.
Nach ca. einer guten Stunde und ca. 9 sm vor unserem Ziel lief auf einmal unsere Maschine unrund und erstarb schließlich. „What the heck…“ Na gut, Groß hoch, wir sind ja schließlich ein Segelboot. Aber wir hatten die Rechnung ohne Murphy gemacht: Das Großfall vertörnte sich im Dampferlicht am Mast. Wer sich ein Dampferlicht ohne Bügel ausgedacht hat…
Gut, wir sind also ohne Maschine und ohne Segelantrieb, also damit eigentlich überhaupt ohne Vortrieb und damit manövrierunfähig. In der Mannschaft werden die Rufe nach einem Taxi nach Hause laut. Der Skipper geht erstmal zum Lenzen und Trinken unter Deck. So lässt es sich dann besser nachdenken: Also, wir sinken nicht, die Mannschaft ist wohlauf, wir liegen nicht auf Legerwall und treiben nicht absehbar in ein Fahrwasser, also ist erstmal alles ok. Wir haben noch genügend Zeit uns selber aus der Klemme zu befreien.
Mit viel Fingerspitzengefühl wird dann das Großfall aus dem Dampferlicht befreit, wir können immerhin mit dem Großfall wieder arbeiten und mit dem Groß Vortrieb generieren. Eine Bitte an die Werft: Es gibt bei seegehenden Yachten aus gutem Grund Bügel um das Dampferlicht. Bitte nachrüsten! Nach weiteren 30 min und einem erneuten Startversuch kommt die Maschine wieder und wir kommen unserem Ziel näher.
Emilia hat von der ganzen Überfahrt nicht wirklich viel mitbekommen. Die Arme! Die Reisetablette hat sie ins Koma versetzt. Aber pünktlich zur Ansteuerung erwacht sie.
Nach der maschinenbedingten Unruhe kehrt das Bordleben wieder zurück. Der Wind lässt weiter nach und wir beginnen in Lee von Møn mit der Ansteuerung von Klintholm.
Unser aufkommendes Problem ist nun, dass die Gastronomien in Klintholm schon um 20:30 Uhr kein Essen mehr servieren. Leichte Panik macht sich breit. Nach so einem Tag muss man schließlich essen! Wir schaffen es bis 20:30 Uhr nach Klintholm. Im Hafen tut die Maschine so, als ob es nie ein Problem gegeben hätte. Spoileralarm: Die Maschine wird ein Hauptprotagonist auf der Reise und Quell steter Freude!
Wir machen an einem sehr netten Nachbarn, einem Selfmade-Stahl-Katamaran, fest. Gegen den sieht unser stattliches Schiff lächerlich aus!
Es gab eine Container-Beachclub-Bude mit Burgern und Kaltgetränken. Was für ein Abschluss dieses ereignisreichen Tages!
Sieht die Ostsee nicht friedlich aus? Wind und Welle gibt es da eigentlich nicht…
Genauso war es!
Mir war kurz kotzübel, 30 Min auf dem Boden in der Plicht geschlafen……Dann war alles wieder im Lot.